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Nadine & Yaprak

Die Frauen der ersten Stunde

Von der Esslinger Hoodie-Manufaktur wasni kann man einiges lernen. Zum Beispiel, wie man in Gebärdensprache ordentlich flucht, wie ein Sweatshirt vom Design bis zum Kleiderbügel entsteht und was ein echtes Team ausmacht. Ich spreche mit Nadine und Yaprak, die von Anfang an dabei waren.

  • Nadine sitzt im Interview vor einem Ständer mit Hoodies der aktuellen wasni-Kollektion.
    Modedesignerin und Maßschneiderin Nadine inmitten von Sweatshirts der aktuellen wasni-Kollektion. Im Interview hört man, dass sie für das brennt, was sie tut. Im Endprodukt sieht man es. Die 26-Jährige hat schon früh ihre Kleider selbst genäht.

Die kleinwüchsige Nadine wurde nach ihrer Ausbildung zur Modedesignerin und Maßschneiderin vom Fleck weg engagiert. Manufakturgründer Daniel erkannte sofort, dass sie topfit war und professionell mit CAD-Systemen arbeitete. Bis heute sind das Design und die Schnitte ihre Domäne. Für neue Modelle lässt sie sich von ihrer Inspiration ebenso wie von den vielfältigen Kundenwünschen leiten.

Man mag es kaum glauben: Ursprünglich hielt Nadine Arbeit für ein lästiges Übel, einen reinen Broterwerb, dem sie nur nachgehen würde, solange sie müsste. Heute dagegen kommt sie „supergern“ zur Arbeit und bleibt auch mal länger, selbst wenn es nicht unbedingt sein muss. Hinter diesem Sinneswandel steckt das Dream-Team von wasni. Gefühlt gebe es gar keinen Chef, sagt Nadine – das muss ein Chef erst mal hinbekommen! Entschieden wird gemeinsam und jeder kann eigene Gestaltungsideen einbringen.

Die kreative Arbeit macht Nadine so viel Spaß, dass sie Gedanken oft nach Dienstschluss weiterspinnt. Dann überlegt sie, wie sich Abläufe im Nähen vereinfachen lassen, oder schaut, was Mitbewerber machen. Weil ihr der Austausch so wichtig ist, zieht sie gern ihren Mann hinzu. Irgendwann ist aber zu Hause doch die unverzichtbare Entspannung angesagt. Nadine treibt viel Sport, besonders CrossFit, eine Art Zehnkampf.

Für die Zukunft wünscht sich Nadine, dass wasni über Esslingen hinaus noch bekannter werden möge. Ansonsten ist sie rundum zufrieden. Es wirkt daher etwas überraschend, dass ausgerechnet sie mir das schöne Schimpfwort „Scheiße“ in Gebärdensprache übersetzt. Warum hat sie diese recht komplizierte Sprache überhaupt gelernt? Da kommt ihre Kollegin Yaprak ins Spiel, mit der sie besonders eng zusammenarbeitet.

„Es ist wirklich wie unter Freunden. In der Mittagspause bleiben Leute, die eigentlich schon Feierabend haben, oft noch hier, einfach weil es so schön ist.“

Nadine

Die gehörlose Yaprak bewarb sich als gelernte Mode-Teilnäherin gleichzeitig mit Nadine. Da waren es bei wasni schon mal drei, und das sollte ein Jahr lang so bleiben. Später ermöglichte Gründer Daniel allen 7 Mitarbeiter*innen einen Kurs in Gebärdensprache. Damit legte er wohl auch den Grundstein zum außergewöhnlichen Betriebsklima.

Keiner weiß besser als Yaprak, wie wichtig die funktionierende Kommunikation ist. Sie kam 2002 nach Deutschland und musste zusammen mit der Gebärdensprache Deutsch lernen. Das schaffte sie in knapp 4 Jahren ‒ eine ungeheure Energieleistung! Jetzt übt sie laufend mit den Kolleg*innen, denen sie einen ordentlichen Gebärdenwortschatz attestiert. Der Interviewer versteht dagegen nur Bahnhof, weshalb bei unserer Begegnung eine Dolmetscherin klartextet.

Yaprak schließt Vorder- und Rückteile, näht Kapuzen, Taschen, Ösen und Knöpfe an. Weil sie auch Teile zuschneidet, berät sie sich laufend mit Nadine. Manchmal muss sie in dem kleinen Laden sogar Kunden betreuen ‒ leichter gesagt als gebärdet. Doch Yaprak hat gelernt, mit Charme in die Offensive zu gehen: Sie bittet den Gast gleich darum, langsam zu sprechen, damit sie von den Lippen ablesen kann, und das Gesagte mit lebhafter Mimik zu unterstützen.

„Man braucht Mut, muss in die Offensive gehen. Mittlerweile kann ich das gut.“

Yaprak

In ihrer Freizeit kocht Yaprak gern und hört Musik – an dieser Stelle stutze ich kurz. Tatsächlich geht das mit Hilfe eines Hörgeräts, das vor allem die Bässe transportiert. Es ist mehr ein Gefühl, Yaprak spürt die Musik im Bauch. Ansonsten dürfte es ihr wie Menschen mit normalem Hörvermögen gehen: Musik entspannt und befreit.

Bisher gab es immer Steigerungen in Yapraks Leben, aber mittlerweile sieht sie sich auf einem Gipfel angekommen. „Ich werde verstanden“, sagt sie. Ist es nicht das, worum es uns allen geht? Ich führe die flache rechte Hand vom Kinn ein Stück nach unten. Das heißt danke. Dem großen Respekt vor Yapraks Leistung kann ich auch in gesprochener Sprache nur schwer Ausdruck verleihen.

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